F. Kafka „Das Schloß“ (roman)
Spät abends langt K. in einem Dorf an; in einer Wirtsstube stören Bauern seinen Schlaf: Das Dorf unterstehe einem Schloß, er benötige eine gräfliche Aufenthaltserlaubnis. K. hört verwirrt zu; dann behauptet er, der Graf selber habe ihn als Landvermesser hierher kommen lassen. K. macht sich am nächsten Morgen auf den Weg zum Schloß, kommt aber dort nicht an: Schnee fällt, und wenn die Straße „sich auch vom Schloß nicht entferne, so kam sie ihm doch nicht näher“. Erschöpft findet K. iins Wirtshaus zurück, trifft dort auf zwei Gehilfen, die ihm vom Schloß für seine Tätigkeit zugeteilt worden sind. Sie erinnern an Clowns; vom Landvermessen verstehen sie nichts. Ein Bote namens Barnabas überbringt K. einen Brief von Klamm, einem hohen Schloßbeamten: Er, K. , sei, wie er wisse, „in herrschaftliche Dienste aufgenommen“. Als sein unmittelbarer Vorgesetzter wird der Gemeindevorsteher bezeichnet. Längst ist die Nacht hereingebrochen. K., der eigentlich noch ins Schloß hinauf wollte, sieht sich in den Herrenhof geführt. In diesem WWirtshaus residieren gelegentlich die Beamten vom Schloß. K. begegnet dort dem Schankmädchen Frieda, der Geliebten Klamms. Er begehrt sie, Frieda gibt sich ihm vor der Zimmertür Klamms hin. Den folgenden Tag verbringen sie schlafend in K.s Zimmer. Dann, am nächsten MMorgen seines Hierseins, begibt sich K. zum Gemeindevorsteher. Der erklärt ihm, man brauche im Dorf keinen Landvermesser; ob je einer berufen worden sei, lasse sich nicht mit Sicherheit sagen. Gardena, Die Wirtin, eine ehemalige Geliebte Klamms, entrollt vor K. wenig später ihre Lebensgeschichte. Inzwischen wird K. vom Gemeindevorsteher zum Schuldiener ernannt. Früh bricht die 4te Nacht herein. Im „Herrenhof“ entdeckt K. den Kutscher, der auf Klamm wartet. K. gleitet in den Wagen Klamms, trinkt berauscht vom Cognac Klamms. Auf dem Rückweg überreicht ihm Barnabas einen Brief vom Schloß: Man sei mit K.s Arbeiten und seinen Gehilfen zufrieden. Verwirrt ersucht K. schriftlich um eine Unterredung mit Klamm, begibt sich zu Frieda ins Schulhaus und gerät dort am nächsten Morgen in eine DDebatte mit ihr: K. will unbedingt im Dorf bleiben, um über Klamm ins Schloß zu gelangen, Frieda möchte auswandern um Klamm zu vergessen. Der fünfte Abend bricht herein. K. hat, entgegen Friedas Wünschen, die Gehilfen entlassen. Er begibt sich zur verfemten Familie der Barnabas: Ungeduldig erwartet er neue Nachrichten von Klamm. Olga, die Schwester des Barnabas, erzählt ihm, warum die Familie verfemt ist. Amalia, ihre Schwester, hat sich eines Tages dem vulgären Ansinnen eines Schloßbeamten widersetzt. Das Dorf hat daraufhin iihre Familie mit schneidender Verachtung gestraft. Die Eltern, um ihre angebliche Schuld abzutragen, haben ihr Vermögen auf Behördengängen verbraucht, auf Bittgängen sind sie tödlich erkrankt; Olga setzt ihre Bittgänge auf anderer Ebene fort, gibt sich regelmäßig einen Haufen Schloßknechten hin; Barnabas verrichtet Botendienste, nutzlose vermutlich, denn das Schloß hat ihn nie zum Boten berufen: Je leidenschaftlicher Olga vor K. das Geheimnis des Schlosses zu entziffern versucht, desto mehr zieht sich das Schloß ins Geheimnis zurück. Nur Amalia möchte vom Schloß noch immer nichts wissen; selbstbewußt, obgleich vergeblich, kämpft sie gegen die Flut der Leiden an, die durch sie über die Familie hereingebrochen ist. Es ist spät geworden. Frieda hat inzwischen K. verlassen, ist zum Herrenhof zurückgekehrt. Vom Sekretär Erlanger wird K. zu einem Verhör dorthin beordert. Er sieht Frieda, versucht vergeblich zurückzugewinnen: Unerträglich sei die Schande, die er ihr durch den Besuch bei der Barnabas Familie angetan hat. Todmüde fällt K. in das Zimmer eines Sekretärs namens Bürgel. Während Bürgel ihm offenbart, daß jede Bitte, in solch unerwarteter Situation ausgesprochen, vom Amt erfüllt werde, sinkt K. in Schlaf. Daraus reißt ihn Erlanger, der ihm eröffnet, er habe Frieda mit Rücksicht auf Klamm freizugeben. Benommen vor Müdigkeit schaut K. dann den AAkten verteilenden Schloßdienern zu; es stellt sich heraus, daß seine Gegenwart Ursache unendlicher Komplikationen bei der Verteilung ist. Nach tiefem Schlaf, in den er frühmorgens fällt, erwacht K. erst am nächsten Tag. Pepi, das Zimmermädchen, das Frieda vertreten hat, schlägt ihm vor, bei ihr zu wohnen. Aber auch Gerstäcker will nun K. bei sich haben, da er beim Sekretär geschlafen hatte.
Laut MAX BROD, der den unvollendeten Roman aus dem Nachlaß veröffentlicht hat, sollte der entkräftete K. am siebten Tag vom Tod ereilt werden, just in dem Augenblick, da vom Schloß die Nachricht eintrifft, er dürfe im Dorf leben und arbeiten.
K. ist ein Reisender von weit her. Er hat aus eigenem Willen diese endlose Reise unternommen zu einem öden Ort. Er weiß auch, daß er sich freiwillig in ein Dorf gewagt hat, welches von einem Schloß unterdrückt wird. Doch auch seine spätere Geliebte Frieda weiß dies, und will mit ihm aus dem Bannkreis des Dorfes flüchten.
Der Landvermesser kommt in das Dorf mit dem ursprünglichen Wunsch nicht für immer zu bleiben. Erst im Laufe der Tage kommt ihm die Einsicht, daß er sich für länger niederlassen muß um einen effizienten Kampf gegen das Schloß zu führen. Es ist dies eein widerwilliges Zugeständnis, hervorgerufen durch die wachsende Einsicht, wie klein für ihn die Chance ist, das Schloß jemals zu betreten. Anfänglich macht er sich wenig daraus, ein Mitglied der Gemeinde zu werden, weil er hofft das Schloß im direkten Ansturm zu nehmen, durch einen Marsch, und danach mit einem Schlitten. Hätter er Erfolg gehabt hätte sich nie ein so starkes Bedürfnis nach dem Dorf entwickelt. Somit ließ er kein Mittel im Dorf aus. auf möglichst einfache und rasche Weise ins Schloß zu gelangen. Der Brief den er bald von Klamm bekommt ist sehr vieldeutig: Es gab Stellen wo er als Freier, Stellen wo er als kleiner Arbeiter angesprochen wurde. Er deutet dies als Wahlmöglichkeit, und entschließt sich als Dorfarbeiter über Umwege ins Schloß zu gelangen. Zugleich sieht er auch die Gefahr, daß er mit der Zeit auf das Niveau eines Arbeiters absinkt, und das nicht nur in seiner Verstellung. Mit Frieda, der Geliebten Klamms, bekommt K. ein neues Machtmittel in die Hand.
K. zeigt, daß er die Position als Gemeindemitglied nicht der Position des Landvermessers gleichsetzen kann. Er will aber nicht als Landvermesser ernannt werden, sondern wirkliche Arbeit als Vermesser haben. Aber für das Schloß ist es undenkbar, daß es
so weiter ginge – ja es ist, wie K. bald entdeckt, nicht einmal so weit gegangen – und ihn wirklich an die Arbeit gehen ließe. Denn ein Landvermesser ist jemand, der Gebiete absteckt, die vorher noch nie abgesteckt wurden; und eine derartige Tätigkeit würde auf einen ernsthaften Angriff auf das Schloß hinauslaufen. Die Richtungen und Entfernungen sind im Dorf immer unbestimmt und veränderlich, Wege scheinen auf den Berg hinaufzuführen, umm dann wieder abzubiegen. Und das ist nichts als der notwendige SSchutz für das Schloß. Die Folgerungen, die sich aus einem sorgfältig erforschten und vermessenen Dorf-Schloß Bezirk ergäben, sind unvorsehbar und verheerend. Letzten Endes würden die Straßen an ein Zie führen, das Schloß wäre nicht mehr unzugänglich. Landvermesser zu sein umfaßt also viel mehr als ein Sich-Niederlassen in ein Dorf welches die Gesellschaft repräsentiert. Wenn nun ein Heim, ein Beruf, und die Gemeidemitgliedschaft (Aussage Max Brods) der rechte Weg sei, so würde K., der Fremde, ein gewisses leidenschaftliches Sehnen verspüren, die DDorfbewohner beneiden.
Er kann sie allerdings nicht beneiden, wie sollte er auch. Am Beispiel der Amalia sieht man wie die Unterdrückten Dorfbewohner sich zum Anwalt der Unterdrücker machen. Es zeigt sich wie Unterdrückte Menschen ihre Frustrationen an noch Schwächeren – ssprich den Unterdrückern aufgefallenen Personen – abladen. Die Groteske erreicht ihren Höhepunkt, wie die Unschuldigen die um Verzeihung bitten, die ihnen Böses angetan haben. Aber man sieht auch wie die Unterdrückten schon lange nicht mehr „normal“ denken können. Statt das Dorf zu verlassen, suchen sie krampfhaft ihre Schuld die sie ja gar nicht haben. Und daß sie schuldlos sind gibt ja auch das Schloß zu. Nur können weder die Barnabas, noch die restlichen Dorfbewohner erkennen, daß mit ihnen ein schlechter Scherz getrieben wurde – die Aktion enwickelt ein Eigenleben. (starke Parallelen zu Jugend Kafkas) Am faszinierenden Schleier der, hinter den sich die (scheinbare) Autorität versteckt, weben die Dorfbewohner bis zur Selbstverstrickung weiter. Ihre Beziehungen untereinander ermangelt schon seit längster Zeit aan Freiheit und Spontanität. Sie sehen die anderen Personen nur mehr als Spiegelbilder einer sich ihnen andauernd entziehender Autorität. Und diese Autorität entzieht sich nicht unabsichtlich den Bewohnern (Beispiel Straße zum Schloß): Die unsinnigen Machtansprüche können nur aufrechterhalten werden, durch die Unantastbarkeit. Denn daß die Würde und Autorität im Schloß schon an den Grenzpunkt angelangt ist, die sich, da die Schloßordnung ein System der Triebunterdrückung ist, schon selbst gefährdet, sieht man an den Dienern (normal würdig werden sie im Dorf wwild), an Sordini (notgeil auf Amalia), Nachtverhöre der Sekretäre (wollen in der Nacht die „Naturwahrheit“ verschleiern) und an K. der die Aktenverteilung stört, da die leidende „Naturwahrheit“ K.s so dstruktiv für die Beamten ist!
Es zeigt sich auch wie zwar das Schloß von der Ferne souverän, von der Nähe ber ruinös sich ausnimmt. Es schimmert in den Roman die leise Hoffnung durch, daß doch der Leser das „System der Abhängigkeiten“ erkennen möge, um an seinem Untergang mitwirken zu können.